Mit meiner kurzen Reise ins ferne Tokio habe ich viele neue Eindrücke gewonnen, von denen ich ein paar zu ordnen versucht habe. Natürlich sind alle Erlebnisse subjektiv und die Auflistung unvollständig. Man sollte sich am besten ein eigenes Urteil vor Ort bilden.

Neben einer kleinen, teilweise ironischen Zusammenstellung von wichtigen oder typisch japanischen Schlagwörtern, findet man auch eine Auflistung der „Hauptsehenswürdigkeiten“ Tokios. Ansonsten gilt natürlich:

 

„Eine Reise ist, wie die Liebe, eine Fahrt ins Unbekannte.“ (Peter Bamm)

 

U-Bahn

 

Tokio ist mehr als eine Reise wert. Der Großraum der japanischen Hauptstadt umfasst ca. 30 Millionen Einwohner und gilt als die größte Stadt der Welt. Dies ist besonders beeindruckend, wenn man bedenkt, dass 29 Millionen mit einem täglich U-Bahn fahren. So kommt es einem jedenfalls vor. Nicht umsonst ist die geringe Arbeitslosenquote Japans mit nur 4,5 % unter anderem damit begründet, dass es sogar Menschen gibt, die nur dafür zuständig sind, den letzten Menschen in der U-Bahn in selbige zu drücken und notfalls der Tasche einen Fußtritt zu verpassen, damit sie nicht eingeklemmt wird. Eine beeindruckende Leistung!

Außerdem ist man als Norddeutscher sehr beeindruckt, wenn man liest, dass die Verbindung zwischen den beiden größeren Stationen Shibuya und Shinjuku zur rush hour teilweise mit 197% ausgelastet ist. Geht das überhaupt? Ja, jeder, der schon einmal das Vergnügen hatte, in diese faszinierende Kultur einzutauchen weiß, dass es geht und dass der Vergleich mit der Sardinenbüchse eher unter- als übertrieben ist.

 

Badehaus („onzen“)

 

Doch Tokio ist nicht Tokio ohne seine traditionellen Badehäuser. In ein „onzen“ geht man dann, wenn man der Großstadthektik für ein paar Minuten entfliehen möchte oder mal wieder zuviel am Stück gelernt hat. Letzteres ist bei Florian ab und zu der Fall. Nachdem man die Schuhe schon vor der Tür ausgezogen hat, sie in ein Schließfach legt und sich an einen Kassenautomaten wagt, muss man nur noch die richtige Taste finden, damit man nicht ein Badetuch erwirbt, sondern eine Eintrittskarte. Anschließend geht man an den Tresen, wo einen höflich lächelndes Personal erwartet. Man bekommt im Gegenzug zu Kassenbon und Schließfach-Schlüssel eine Karte, die als „Schlüssel“ für den Schrank im Innenbereich dient. Im Anschluss sollte man als Mann unbedingt durch den Torbogen mit dem blauen und nicht dem roten Vorhang gehen, denn dort angekommen wird sich komplett ausgezogen. Die Schiebetür zum Hallenbereich aufmachend, erwarten einen sechzehn – meist besetzte – kleine Plastikhocker. Nach einer kurzen Wartezeit nimmt man dort Platz und wäscht sich – aber richtig! Alles scheint erlaubt, inklusive Zähne putzen, rasieren... Nach diesem Prozedere freut man sich auf ein gut gewärmtes Becken und springt vor Schmerzen fast wieder hinaus, wenn man das erste Mal in ein 45°C heißes „Erholungsbecken“ steigt. Hat man sich langsam an die Temperatur gewöhnt und die Zeit im Becken genossen, möchte man die Sauna ausprobieren. Schwitzen bei 90°C und integriertem Fernseher: Zuviel für die Entspannung! Zum Glück gibt es auch noch einen Außenbereich, in dem man jedenfalls versuchen kann, durchzuatmen. Insgesamt ein großartiges Erlebnis und wichtig für das Sozialverhalten innerhalb der japanischen Kultur!

 

Ordnung

 

Auffallend ist bei diesen Dimensionen die geringe Anzahl von Obdachlosen im Straßenbild. Ist man in anderen asiatischen Städten – so etwa in Peking - darum bemüht, diese Mitglieder der Gesellschaft möglichst aus dem Straßenbild zu beseitigen, hat man sich in Tokio Folgendes einfallen lassen: Unter Überführungen – meist nahe der U-Bahn – findet man kleine Käfige, in denen ein paar Zeitungen und eine Plastiktüte liegen. Selten findet man den Bewohner dieser Käfige, aber diese Behausungen sind für Obdachlose konzipiert. Für einen Europäer ist diese Tatsache zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, aber sobald man sich von der Zoo-Atmosphäre gelöst hat, beeindruckt es einen, in welchem Maße die Stadt für diese Mitbürger sorgt, dass ihnen wenigstens eine kleine Privatsphäre gewährt bleibt.

 

Tickets

 

Möchte man zum Beispiel Sportveranstaltungen besuchen, geht man in den nächsten Einkaufsladen. Dort steht ein Computer, der einem – wenn man ihn denn in japanischer Sprache bedienen kann – einen Bon für die gewünschte Zeit und Veranstaltung ausspuckt. Mit diesem Bon geht man zur Kasse, dort wird jener kleine Zettel eingescannt, gelesen und man erhält sein Ticket. Fährt man dann mit dieser Eintrittskarte zum Beispiel zum Fußball-Länderspiel zwischen Japan und Finnland nach Yokohama, sollte man sich spätestens nach dem Ankommen am Bahnhof von Yokohama vergewissern, ob auch an dem Tag wirklich Fußball gespielt wird. Denn schade ist es, wenn man von einem Japaner auf Englisch erklärt bekommt, dass dieses Spiel im 1,5 Stunden entfernten Shizuoka stattfindet. Dies stehe doch aber auch auf der Karte – aber auf Japanisch. Wenn man nicht gerade das nötige Kleingeld für den japanischen Schnellzug Shinkanzen zusammen hat, kann man sich dieses Spiel im Fußball verrückten Japan auch in einer deutsch-japanischen Kneipe anschauen...

 

Sightseeing

 

Tokio besteht aus 23 Stadtteilen. Wenn man nicht das große Glück hat, einen 9-monatigen Sprachkurs hier machen zu dürfen, schafft man es in einem Kurzurlaub höchstens in sieben Viertel. Man denkt, einmal gerade nicht im Zentrum dieser riesigen Stadt zu sein, steigt in einer „no name-station“ aus und bewundert unterirdische Shopping-Malls, kilometerlange Flaniermeilen und gigantische Einkaufszentren so weit das Auge reicht. In einer deutschen Großstadt wäre es die Touristenattraktion schlechthin, hier nur eines von 23 Zentren – und alle sehenswert!

Auch weitere tolle Attraktionen hat Tokio zu bieten:
Harajuku – ein Szeneviertel mit edlen Boutiquen und der Omotesando als Champs Elysee Tokios.

Shibuya – nicht nur wegen der Shibuya-Girls ein absolutes „must“.

Shinjuku – aufgrund der Passagierzahlen der größte Bahnhof der Welt! (täglich zwischen 1-4 Millionen Menschen) – lohnenswert.

Rathaus – ein Wolkenkratzer im Stadtteil Shinjuku. Aus dem 45.Stock hat man einen gewaltigen Blick über diese beeindruckende Metropole, bei guter Sicht sogar inklusive Fuji-san.

Roppongi – das „Ausländerviertel“ Nr. 1 in Tokio, auch das obligatorischen Hard Rock Cafe (mit King Kong in Lebensgröße) befindet sich hier.

Kichijoji – ein Stadtteil mit einem guten Mix aus Parkanlage und einer weiteren Reizüberflutung an Shopping-Malls.

Odaiba – eine künstliche Insel im Süden Tokios, auf die man über die Rainbow Bridge gelangt. Dort angekommen, wird man von der Freiheitsstatue begrüßt, kann den überdimensionalen Plasmabildschirm – das Hauptgebäude von Fuji-TV – bewundern, einen gemütlichen Spaziergang durch das Schiffahrtsmuseum machen, sich im Venus Fort unter einem künstlichen Himmel durch die neuesten Modetrends für Teenies inspirieren lassen, den Toyota-Showroom bewundern oder sich einen Überblick vom größten Riesenrad der Welt (115m hoch) verschaffen. Wenn man dann fast schon am Ende angekommen ist, steht man vor dem Big Sight – einer Kongress- und Messehalle, die als Fundament vier umgekippte Pyramiden besitzt. Eine architektonische Meisterleistung, von der man vom achten Stock der Dachterrasse einen fantastischen Ausblick auf Tokio besitzt.

Tokyo International Forum – ein architektonisch umstrittenes Bauwerk im Herzen des alten Tokios.

Hauptpost – aus älteren Tagen, ein Bau in unmittelbarer Nähe des Tokio Hauptbahnhofes (Tokyo Station), nicht nur für Philatelisten ein großes Erlebnis in einer japanischen Post zu stehen.

Tokyo Station – ein sehr hübscher Bau, der beweist, dass es in Tokio eine gute Mischung zwischen modernen und älteren, traditionelleren Bauwerken gibt. Und dann war ja auch noch die unterirdische Shopping-Mall...

Yasukuni-Schrein – eine außenpolitisch umstrittene Anlage, die man allerdings gesehen haben muss, damit man weiß, wovon man redet, wenn man versucht, sich in dieser Thematik in die Lage eines Japaners hineinzuversetzen.

Tokyo Dome – Tokio wäre nicht Tokio, wenn an dieser Stelle nur eine 55.000 Zuschauer fassende Baseball- und Konzertarena stünde. Gleichzeitig ist ein großer Freizeitpark eine Shopping-Mall und ein nobles Hotel (in der Bar des obersten Stockwerkes hat man einen traumhaften Blick auf die gesamte Anlage und über Tokio) integriert. Das Ganze heißt dann Tokyo Dome City.  

Japan Football Museum – eine relativ kurze aber sehr interessante Ausstellung über den japanischen Fußball. Besonders gelungen ist der knapp halbstündige Film über die Fußball-WM 2002 in Japan und Südkorea. Deutsche Fans leiden besonders beim Finale, in dem schonungslos Kahn`s Aussetzer gegen Brasilien zu sehen sind. Der Eintritt ist kostenlos.

Ueno-Park – großzügige Gartenanlage im Nordosten, die nicht nur einen Zoo und das Nationalmuseum beheimatet, sondern auch zahlreichen Tempeln und Schreinen Platz bietet. Eine Oase der Ruhe – wenn man früh morgens kommt.

Asakusa-Schrein – hier sieht man garantiert auch andere Touristen. Insgesamt ganz nett anzuschauen.

Akihabara – ein Stadtteil, der auch als Elektronikparadies bekannt ist. Auch wenn man nicht auf Schnäppchenjagd ist, ein weiteres „must“.

Supreme Court – man verwechselt dieses Gebäude zunächst mit einem Luftschutzbunker, doch dann realisiert man, dass auch in Tokio architektonisch nicht alles gelungen ist – Geschmackssache!

Parlament – ein Highlight, auch wenn man Gefahr läuft eine Führung (Mo-Fr, 9-16h, jede volle Stunde) mit 350 Schulkindern und elf japanischen Touristen mitzumachen. Der Führer kann zwar kein Englisch, aber ein Bild der großen Politik kann man sich auch so machen. Ein Erlebnis für sich!

Yokohama – ist auch ohne Fußball ein Abstecher wert. Besonders der Stadtteil Motomachi erinnert an ruhigere Einkaufsstraßen ohne Leuchtreklame in heimischen Gefilden. Weiterhin sehenswert: die Uferpromenade mit Blick auf das Zentrum Yokohamas, Chinatown und das Hotel New Grande.

Zojoji-Schrein – auf dem Weg zum Tokyo Tower ein nettes Fotomotiv – vor allem mit dem Tokyo Tower im Hintergrund.

Tokyo Tower – natürlich mit 333m noch höher als sein Pariser Vorbild. Sieht zwar schön aus, aber lange Warteschlangen und überhöhte Preise lassen einen die Blicke von irgendwelchen Hotels oder Kongresszentren noch mehr genießen.

Ginza – der Höhepunkt der Shopping-Gelüste. Diese Haupteinkaufsstraße besticht durch exklusivste Läden, Menschenmassen und französische Confisserien. Ganz großes Kino zu Wahnsinnspreisen, dennoch (oder gerade deshalb) ein „must“

Koizumis Regierungssitz – nur deswegen lohnt sich kein Abstecher in diese Ecke, doch wenn man schon einmal beim Parlament ist, kann man diesen Schlenker gleich mitmachen.

Kaiserpalast – man sollte keine falschen Vorstellungen haben, dass man wirklich nahe ans Gelände herankommt. Bei schönem Wetter kann man allerdings im umliegenden Park spazieren gehen und genießt einen tollen Blick auf Gebäude hinter Mauern. Führungen ins Innere der Festung gibt es leider nicht.

Wissenschafts- und Technologiemuseum – wenn man schon in Tokio ist, sollte man sich nicht entgehen lassen, womit eine fortschrittliche Technologienation in naher Zukunft die nächsten Zeichen auf dem Weltmarkt setzen wird. Das Museum ähnelt der Phänomenta in Flensburg: Alles ist anschaulich aufbereitet, man kann viel experimentieren, manches blinkt oder kracht auch – also fast so wie in japanische Spielzeugläden. Apropos, an einigen Tagen kann man das Pech oder Glück haben, mit einer großen Horde von einheimischen Schulklassen durchs Museum geschoben zu werden.

Yoyogi-Park – eine echte Ruheoase mit dem sehenswerten und bedeutenden Meiji-Schrein. Dieser Park diente 1964 zur Olympiade als Heimat der Athleten. Gleich nebenan hat sich der japanische Architekt Kenzo Tange mit seinen beeindruckenden Sporthallen – dem Yoyogi Sport Center – verewigt

 

Modebewusstsein

 

Ich kann mich nicht daran erinnern, in irgendeiner anderen Stadt auf dieser Welt so viele aufgestylte Frauen gesehen zu haben. Das Modebewusstsein ist sehr stark ausgeprägt. Stöckelschuhe und Minirock soweit das Auge reicht – auch im Winter. Und zu Mc Donald`s geht man nicht, wenn man Hunger verspürt, sondern wenn die Wimperntusche verlaufen ist oder Lidschatten nachgezogen werden müssen. Im Fast-Food Restaurant wird sich dann mit stets bei sich zu führenden Schminkköfferchen hingesetzt und mit möglichst vielen Freundinnen um die wichtigen Dinge des Lebens gekümmert.     

 

Japaner...

 

...sind höfliche Menschen, die sich sehr stark über die Mitgliedschaft zu einer Gruppe definieren. Sei es die Familie, das Unternehmen oder das Stadtviertel, irgendwo ist jeder ein Gruppenmitglied. Dadurch passt der eine auf den anderen auf, und die Kriminalität (natürlich auch bedingt durch weitere Faktoren) ist kaum vorhanden. In welcher Großstadt kann man so unbedarft größere Mengen Bargeld mit sich führen oder auch die dunkelste Ecke in der abgelegensten Seitenstraße erkunden?

Während sich Europäer ja eher durch ein Ja-oder-Nein-Denken charakterisieren lassen, liegt in Japan ein Entweder-Oder-Denken vor. Ein schönes Beispiel bietet die Religionszugehörigkeit. 80% gehören dem Buddhismus an und 70% sind Anhänger des Schintoismus (das Christentum ist mit 1% etwas unterrepräsentiert). Auf den ersten Blick aus westlicher Sicht ein schier unmögliches Ergebnis, da bei der Addition die 100% etwas überschritten werden. Doch die Zugehörigkeit zu der einen Weltanschauung schließt die andere nicht komplett aus. So suchen sich die meisten Japaner einen für sich nachvollziehbaren Weg, der beide Ausrichtungen vereint und lassen sich zum Beispiel schintoistisch trauen, aber buddhistisch beerdigen. Dies Beispiel spiegelt auch die höfliche Diplomatie wider, die es Japanern vorschreibt ein „Nein“ nicht als „Nein“ auszusprechen, sondern höflichst zu umschreiben.

 

Fazit

 

Wenn man sich inzwischen auch daran gewöhnt hat, in U-Bahnhöfen und an Bushaltestellen anzustehen, lieber einmal mehr als zuwenig die Schuhe vor irgendwelchen Türen auszuziehen, das Erdgeschoss im Japanischen als 1.Etage zu zählen und auf der Speisekarte Schweinemagen und Schildkröte als Delikatesse zu schätzen weiß (es gibt aber auch ausreichend Alternativen), dann hat man nicht nur einige Erfahrungen und Eindrücke gewonnen, sondern es ist auch ein deutliches Indiz dafür, dass man hier einige Tage, Wochen oder Monate länger bleiben könnte...

Insgesamt wäre es nur schön, wenn das Zitat von Victor Hugo sich etwas mehr bewahrheiten würde – und er hatte damals wohl noch nicht an das world wide web gedacht...

 

„Die Entfernungen nehmen ab, die Menschen kommen sich näher.“ (Victor Hugo)